Nach sieben Jahren tritt Florian Nöll als Vorstandsvorsitzender beim Startup-Verband ab. Wir haben mit ihm und seinem Nachfolger Christian Miele über den Wechsel an der Verbands-Spitze, das verflixte siebte Jahr und ihre Pläne für die Zukunft gesprochen.

Bist du zufrieden mit dem, was du in deiner Zeit im Verband erreicht hast?

Florian: Das Bundeskabinett hat vor ein paar Wochen den 10 Milliarden schweren Zukunftsfonds beschlossen, am 1. März 2020 tritt das Fachkräftezuwanderungsgesetz in Kraft und wir haben das sogenannte Anti-Angel-Gesetz in Summe viermal verhindert. Das waren drei ganz dicke Bretter. Natürlich hätte ich gerne noch mehr erreicht, aber das Beispiel des Anti-Angel-Gesetzes zeigt auch, dass unser Erfolg oft darin bestanden hat, schlechte Gesetze zu verhindern. Letztendlich haben wir vor sieben Jahren mit der Startup-Politik in Deutschland bei Null angefangen. Für Christian bleibt unglaublich viel zu tun und ich bin sicher, dass er mit neuer Energie erfolgreich sein wird.

Christian, du bist Gründer, Investor und jetzt Lobbyist. Hast du dich mit deiner neuen Rolle bereits vertraut gemacht?

Christian: Ich bin dem Startup-Verband seit Jahren verbunden, habe mich in verschiedenen Rollen auch politisch engagiert. Aber klar, der Sprung in die erste Reihe ist für mich eine neue Erfahrung. Ich freue mich sehr über das Vertrauen der Mitglieder und bin dem Vorstand dankbar, der mich für dieses tolle Amt nominiert hat. Jetzt heißt es anpacken.

In einem Handelsblatt Interview in der vergangenen Woche hast du den Startup-Standort Deutschland angezählt. Jetzt oder nie war die Botschaft. Steht es wirklich zu schlecht um das Gründerland?

Christian: Ich glaube, wenn wir jetzt nicht sofort an einer gründerfreundlichen Vision für die Zukunft arbeiten, dass unsere Rolle in der Welt unwichtiger werden wird.

In der Veröffentlichung hast du von schwierigen Zeiten im Verband gesprochen. Ausgerechnet wenige Wochen vor deiner Wahl soll es eine Krise gegeben haben?

Christian: Es gibt wohl kaum ein Startup, das nicht schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Jetzt hatte es den Verband der Startups erwischt. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Das war eine starke Team-Leistung. Florian hatte die Geschäftsführung im Juni bereits verlassen und hat dann keinen Moment gezögert noch einmal operativ einzuspringen. Die neuen Geschäftsführer haben ebenfalls volles Commitment gezeigt. Ebenso der Vorstand.

Wie geht es dem Verband finanziell?

Florian: Wir konnten der Mitgliederversammlung ein eigentlich erfolgreiches Jahr 2018 berichten. 2019 verlief leider dann an ein paar Stellen leider nicht nach Plan.

Das verflixte siebte Jahr?

Florian: Wenn man so will. Ich versuche in jeder Situation immer die Chancen zu sehen. Es war längst überfällig ein paar Veränderungen anzugehen. Dabei hat es sich ausgezahlt, dass wir im Vorstand wahrscheinlich mehr als 100 Jahre unternehmerische Erfahrung haben und seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Sprich die Reaktion war im großen und ganzen besonnen und professionell.

Christian: Und es gibt auch für 2019 Positives zu berichten: Florian hat mit unseren beiden neuen Geschäftsführern und mir erfolgreich seine Nachfolge geregelt. Das Team hat den erfolgreichsten Deutschen Startup Monitor aller Zeiten veröffentlicht und auch unser Politik-Team hat einen gewohnt guten Job gemacht.

Wie ist der Plan für 2020?

Christian: Der Verein wird 2020 erstmals Mitgliedsbeiträge von deutlich mehr als 1 Mio. Euro einnehmen. Hinzu kommen sichere Einnahmen, beispielsweise Sponsorings in unserem erfolgreichen Forschungsbereich und Förderprojekte. Sprich wir gehen aus einer gesunden Position heraus zurück auf die Erfolgsspur und ich habe keinen Zweifel daran, dass das gelingt.

Im Zuge der Krise wurden Vorwürfe aufgebracht, Geschäftsführer hätten sich womöglich persönlich bereichert. Mögt ihr dazu etwas sagen?

Christian: Ich spreche wahrscheinlich nicht nur für mich wenn ich sage, dass mich die Art und Weise, wie diese Vorwürfe vorgebracht und verbreitet wurden, sehr enttäuscht hat. Aber auch damit ist der Vorstand professionell umgegangen, in dem er einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer beauftragt hat, der die letzten fünf Jahre auf entsprechendes Fehlverhalten hin überprüft hat. Wie der Wirtschaftsprüfer erklärt hat, wurden diese Vorwürfe im nun vorliegenden Prüfbericht widerlegt.

Die Mitgliederversammlung hat im November eine neue Satzung beschlossen. Was sind die wesentlichen Änderungen?

Florian: Einerseits die Trennung von Haupt- und Ehrenamt. Wir wussten über all die Jahre, dass die Personalunion aus Vorstand und Geschäftsführung gleichermaßen notwendig wie ungünstig war. Mit der Ankündigung meines Abschieds vor einem Jahr war klar, dass wir die Vereinsorgane trennen. Nun haben wir eine hauptamtliche Geschäftsführung und ein rein ehrenamtliches Präsidium.

Das in Zukunft nicht nur Startups repräsentiert?

Christian: Richtig, wir öffnen uns insbesondere für Investoren. Ein Stück weit folgen wir dem Vorbild unseres französischen Schwesternverbandes France Digitale. Aber natürlich haben wir auch selbst schon lange gesehen, dass politische Forderungen von Startups und Investoren zwei Seiten der gleichen Medaille sind.

Was hat den Verband stark gemacht?

Florian: Die Menschen, und da denke ich zuerst an das Ehrenamt. Ich hatte echt Glück mit so vielen tollen Typen (w/m) zusammenarbeiten zu dürfen. Tom Bachem, der gemeinsam mit mir in den ersten Monaten nach der Gründung einfach mal fast Vollzeit ehrenamtlich den Verband aufgebaut hat. Stephanie Renda, die mit großer Leidenschaft für Female Entrepreneurship gekämpft hat, Adrian Thoma der uns mit seinem regionalen Aktivitäten im Ländle gezeigt hat, dass nicht nur Berlin Startups kann.

Christian: Janina Mütze, die den Female Founders Monitor ins Leben gerufen hat und in diesem Jahr geholfen hat, die Verbandsfinanzen zu ordnen. Tom Kirschbaum, der mit seiner Future Mobility Plattform den Grundstein für unsere Plattform-Strategie gelegt hat. Markus Sauerhammer, der den Verband als Basis genutzt hat, um das super erfolgreiche Social Entrepreneurship Netzwerk zu gründen. Oder auch unser Kuratoriumsvorsitzender Heinz-Paul Bonn, dem wir viel zu verdanken haben. Und viele viele mehr.

Und im Hauptamt?

Florian: Ich bin unserem Mitarbeiter Nummer 1 Mirco Dragowski sehr dankbar. Er hatte schon vor der Gründung des Verbands großen Anteil daran, weil er mich mit unserem späteren Mitgründer Erik Heinelt zusammengebracht hat. Mit Erik habe ich meine ersten Ideen zur Gründung des Verbandes diskutiert. Geprägt hat den Verband natürlich auch Sascha Schubert, mit dem ich ja schon seit 2005 Startup-Events organisiert habe.

Was wünschst du dir von deinem Nachfolger?

Florian: Drei Dinge: Er soll unser Selbstverständnis erhalten. Wir machen uns für Gründerinnen und Gründer stark, die dazu selbst keine Zeit haben, während sie Innovationen und Arbeitsplätze schaffen. Zweitens eine klare Haltung über unseren Tellerrand hinaus. Immer pro Europa und pro Vielfalt. Und meinen dritten Wunsch hat er bereits erfüllt. 50% Frauen im Präsidium sind ein klasse Zeichen.

Was findet dein Nachfolger vor?

Florian: Ich habe tatsächlich ein paar Dinge auf seinen Schreibtisch gelegt: Eine Zusage der Bundeskanzlerin, unsere German Startup Awards am 5. März zu eröffnen, und den Beschluss der Bundesregierung 10 Milliarden Euro für einen Zukunftsfonds bereitzustellen, die er jetzt “abholen” muss. Das gut aufgestellte und motivierte Team kennt er schon.

Bleibst du dem Verband erhalten?

Florian: Als Gründer geht man ja nie ganz. Gleichwohl möchte ich nicht der sein, der nicht loslassen kann und einmal in der Woche über den Büroflur schleicht. Aus diesem Grund habe ich mich dagegen entschieden, ein Amt anzunehmen. Fest steht, dass ich in meiner neuen Rolle weiter mit dem Verband zusammenarbeiten werde. Darauf freue ich mich.

INSIDE ist das Magazin des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. (Startup-Verband). Der Startup-Verband ist Repräsentant und Stimme der Startups in Deutschland und engagiert sich für gründerfreundliche Rahmenbedingungen. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in der Politik erarbeitet er Vorschläge, die eine Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken. Der Startup-Verband wirbt für innovatives Unternehmertum und trägt die Startup-Mentalität in die Gesellschaft. Als Netzwerk verbindet er Gründer, Startups und deren Freunde miteinander. Wenn du an einer Mitgliedschaft im Startup-Verband interessiert bist, erfährst du hier etwas über die Vorteile einer Mitgliedschaft und kannst hier die Mitgliedschaft beantragen.