Zuletzt waren die Beratungen für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ins Stocken geraten, dabei warten die Startups dringend auf Reformen, um den Fachkräftemangel zu lindern. Das Gesetz wurde kurz vor Weihnachten vom Kabinett beschlossen und enthält einige Punkte, die für unsere Startups von Bedeutung sind. Wir haben uns diese Punkte einmal genauer angeschaut:

Punkt 1: IT-Fachkräfte

Der Kabinettsbeschluss sieht eine Abschaffung des Qualifikationsnachweises für Fachkräfte im Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie vor, wenn eine fünfjährige Berufstätigkeit in der Branche nachgewiesen werden kann. Das entspricht der Forderung vieler Gründerinnen und Gründer und steht auch auf der Agenda des Startup-Verbands weit oben. Der rechtliche Rahmen wird damit erstmals an die Entwicklungen der Digitalisierung angepasst und so ein erster Schritt zur Behebung des Fachkräftemangels unternommen.

Leider ist dies aber tatsächlich nur ein erster Schritt: Fachkenntnisse wie Programmierfähigkeiten werden nicht selten im privaten Rahmen und autodidaktisch erlernt. Die klügsten Köpfe im Informatik-Bereich haben mitunter noch nicht die Schule abgeschlossen, würden aber bereits mit offenen Armen von unseren Startups empfangen werden. Die Verpflichtung zu einer nachgewiesenen Berufstätigkeit nimmt den Startups die Möglichkeit, frühzeitig auf die größten internationalen Talente zuzugreifen. Eine Entscheidung über die Qualifikation potentieller Mitarbeiter sollte daher denen überlassen werden, deren Wettbewerbsfähigkeit davon abhängt: Den Unternehmen selbst.

Punkt 2: Definition Fachkraft

Natürlich suchen Startups nicht nur händeringend ITler. Deshalb ist es gut, dass im Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Öffnung der Erwerbszuwanderung für Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung vorgesehen ist. Mehr Flexibilität bei der Gewinnung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist dringend geboten. Daneben wird die Abschaffung der Vorrangprüfung den Einstellungsprozess für ausländische Talente hoffentlich beschleunigen können.

Problematisch sind aber die, analog zu den Anforderungen an IT-Fachkräfte, hohen Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse, die Fachkräfte bereits vor dem Einstieg in den Job nachweisen müssen. Was in Pflegeberufen natürlich Sinn macht, stellt in Startups eine unnötige Hürde bei der Gewinnung ausländischer Talente dar.

Punkt 3: eGovernment

Im Kabinettsbeschluss findet sich lediglich ein knapper Verweis auf die Verpflichtungen, die sich aus dem Onlinezugangsgesetz ohnehin zwangsläufig ergeben. Während im Eckpunktepapier der Bundesregierung vom Oktober 2018 noch konkrete Zielsetzungen für Anwendungen im Bereich eGovernment zu finden waren (z.B. zentral hinterlegte e-Akte und ein elektronisches Postfach bei den Ausländerbehörden), fehlen diese im Kabinettsbeschluss nun gänzlich. Dabei stellt eine funktionierende digitale Verwaltung eine enorme Verbesserung für die am Einwanderungsprozess beteiligten Parteien dar. Elektronische Lösungen, die einfach und effektiv gestaltet sind, mindern den Ressourcen- und Zeitaufwand auf Seiten von Verwaltung und Arbeitgebern und steigern die Attraktivität der Bundesrepublik für ausländische Fachkräfte. Hier wäre die Bundesregierung gut beraten, sich im Sinne einer nachhaltigen Digitalstrategie zu klaren und ambitionierten Zielen zu verpflichten.

Punkt 4: Marketingmaßnahmen

Deutschland konkurriert im Wettbewerb um die besten Programmierer und Informatiker mit attraktiven Standorten wie den USA. Dort wurden rund 60% der 25 erfolgreichsten Unternehmen im Silicon Valley von Menschen gegründet, die in erster oder zweiter Generation in den USA leben. Eine gezielte Einwanderungspolitik ist dort Erfolgsgarant für Wohlstand und Wachstum.

Durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz werden nun endlich neue Wege für die Zuwanderung von Fachkräften geschaffen. Damit diese aber auch von den neuen Möglichkeiten erfahren, muss die Werbung für den Standort Deutschland verstärkt werden. Nur mit zielgerichteten Werbemaßnahmen und einer gelebten Willkommenskultur für diese Fachkräfte kann das volle Potential des Gesetzes genutzt werden. Es versteht sich von selbst, dass sich Marketingmaßnahmen nicht nur auf gesellschaftliche Schlüsselbereiche wie die Pflege konzentrieren, sondern eben auch wichtige Zukunftsbranchen wie den IKT-Bereich umfassen sollten. Leider findet sich im Kabinettsbeschluss hierzu wenig Konkretes. Die darin enthaltenen, wagen Ankündigungen sollten unbedingt mit Inhalten gefüllt werden.

Fazit

Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein wichtiger Schritt hin zu einer positiveren und chancenorientierteren Auslegung von Einwanderungspolitik darstellt. Die besondere Berücksichtigung des IT-Sektors zeigt, dass die Bundesregierung durchaus die Brisanz des Fachkräftemangels für die Digitalbranche erkannt hat. Allerdings sehen wir an dieser Stelle viele Hürden, die den Anwerbungsprozess ausländischer Talente unnötig erschweren. Bei wichtigen Begleitfaktoren wie elektronischen Verwaltungsangeboten oder Werbemaßnahmen für den Arbeitsstandort Deutschland fällt auf, dass konkrete Inhalte und Verpflichtungen sämtlich fehlen. Auch die Beratung und Begleitung von Fachkräften nach ihrer Einstellung bleibt unerwähnt, dabei bedarf es dringend mehrsprachiger Online-Verwaltungsverfahren und stationärer Beratungsangebote wie Welcome Center für Zuwander*innen.

Es müssen in den kommenden Wochen und Monaten dringend zahlreiche Anpassungen vorgenommen werden, damit das Fachkräfteeinwanderungsgesetz seine volle Wirkkraft für den Digitalstandort Deutschland entfalten kann. Wir werden das beobachten und uns dafür einsetzen!

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Kategorien: Politik