Von Dr. Gerrit Rößler, Program Manager beim Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus

 

Das Silicon Valley lockt: Für viele deutsche Startups gilt die Innovationslandschaft der USA als Vorbild. Der Sprung zum Weltmarktführer ohne Umweg über die USA scheint nach wie vor schwierig. Schneller und unkomplizierter Markteintritt, flexible und leicht zugängliche Finanzierungsmöglichkeiten sowie erfahrene und international aufgestellte Mentorinnen und Mentoren bilden eine Infrastruktur, die gerade jungen Gründerinnen und Gründern viele Möglichkeiten eröffnet. Doch nicht in allen Bereichen wird die amerikanische Innovationsszene ihrem Ruf gerecht; oftmals ist ihr die Szene in Deutschland sogar einen Schritt voraus.

 

 „Ja zum Risiko“ als Gründungskultur

Die „Can Do“-Mentalität von US-Amerikanerinnen und Amerikanern ist legendär. Das zeigt sich auch in der Innovationslandschaft, die eine hohe Risikobereitschaft und eine hohe Dichte an Risikokapitalfirmen und Banken, privaten Investoren und Business Angels, Hubs und Mentoren-Netzwerken aufweist. Basierend auf der viel beschworenen amerikanischen Mentalität, bei der das Scheitern einer Neugründung als Gelegenheit zum Lernen und Wachsen und nicht etwa als Versagen angesehen wird, bieten die USA geradezu eine Spielwiese für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Ideen und Ambitionen zur Entwicklung neuartiger Produkte und zur Gründung eigener Unternehmen. Vor allem in der zweiten Finanzierungsrunde (nach der Anschubfinanzierung) bietet das US-Steuerrecht viele Vorteile für Investoren und Risikokapitalanleger. Bisweilen führt das dazu, dass Investoren sich stärker in die Unternehmensführung einbringen oder früher zum Exit drängen, als es generell in Deutschland der Fall ist.

Die USA zeichnen sich durch eine enge und flexible Verknüpfung von akademischer und industrieller Forschung und Innovation aus: Vielfach leisten Hochschulen sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Auftragsforschung für die Industrie, Bundesbehörden oder Ministerien. Im Gegenzug vergeben staatliche Institutionen wie die National Science Foundation (NSF), die National Institutes of Health (NIH), die NASA, die NSA oder das Energieministerium Mittel für angewandte Projekte, aus denen sich immer wieder Spin-Outs entwickeln. Die Fördersummen in diesem Bereich sind erheblich: Allein der Forschungs- und Entwicklungsetat des Verteidigungsministeriums lag im Finanzjahr 2016 bei 72 Milliarden US-Dollar. Hochschulen sind zudem sehr erfolgreich dabei, die eigenen Studierenden und Graduierten an Ausgründungen heranzuführen und ihnen eine Gründermentalität zu vermitteln. Acceleratoren und Inkubatoren, die eigenes und substantielles Gründungskapital vergeben, sind gerade bei den Spitzenhochschulen etabliert.

 

Startup-Ballungsgebiete als Innovationsstandorte

Die Innovationszentren der USA liegen in der San Francisco Bay Area (UC Berkeley, Stanford, Silicon Valley), Boston (MIT, Harvard, diverse Inkubatoren und Acceleratoren) und New York City. San Francisco spielt hier vor allem im Bereich Digitalisierung und „Internet der Dinge“ eine wichtige Rolle, während Boston in der Medizintechnik führend ist. Durch die Verbindung zur Bundespolitik, die die Rahmenbedingungen für Innovation und Forschung mitgestaltet, spielt auch Washington D.C. eine entscheidende Rolle für die Innovationsszene. Zu Lobbyfirmen, Thinktanks und Anwaltskanzleien gesellen sich daher zunehmend Social-Innovation-Startups und kleine Non-Profit-Firmen. Verstärkt werden außerdem Regionen mit guten Hochschulen und Forschungszentren, die niedrigere Lohn- und Lebenshaltungskosten aufweisen, zur Konkurrenz der etablierten Forschungs- und Innovationsstandorte. Dazu gehören Austin, Houston und Dallas in Texas, Atlanta mit Georgia Tech in Georgia, Portland und Seattle in Oregon und Washington im Nordwesten sowie das „Research Triangle“ in North Carolina.

 

Spotlight New York und seine „German Bubble“

New York hat nach der Finanzkrise von 2008 die Infrastruktur und Rahmenbedingungen geschaffen, um ein Innovations-Powerhouse zu werden. Obwohl es Boston und der Bay Area um mehrere Jahrzehnte hinterherhinkte, hat es sich inzwischen zum zweitwichtigsten Innovationsstandort in den USA entwickelt und zum wichtigsten für Startups im B-to-B Bereich. Schwerpunkte in New York sind FinTech, Fashion, Artificial Intelligence and Machine Learning, Media, Virtual/ Augmented/ Mixed Reality und Smart City. Stadt und Staat New York haben dabei innovative Public-Private-Partnership-Modelle entwickelt, um die Umsetzung von Forschungsergebnissen aus den Universitäten in neue Technologien zu beschleunigen. Beispiele hierfür sind das NYC Media Lab, der Grand Central Tech Hub, der Urban X Incubator, das eben entstehende VR/AR Center und ein geplanter Inkubator für Medizintechnik. Der Standort New York City, schon allein auf Grund der Studierendenzahl der größte Hochschulstandort der USA, zeichnet sich durch ein besonders dichtes Netz an Forschungs-, Innovations- und Wirtschaftsstrukturen aus. Vier große Hochschulen bzw. Hochschulsysteme (NYU, Columbia, CUNY, SUNY) und viele kleinere, z.T. wissenschaftlich spezialisierte Hochschulen (z. B. Cornell Tech NYC, Rockefeller, Sloan Kettering) sind ein Magnet für junge Innovationstalente aus aller Welt. Hochschuleigene Entrepreneurship-Programme wie die NYU Tandon Future Labs, unterstützen Talente aus den Reihen der eigenen Studierenden oder ziehen forschungsnahe Startups an die Hochschule.

 

Sind die USA noch ein Gründerparadies?

War die Tech-Branche zu Beginn der Trump-Ära noch optimistisch gestimmt, verändert sich die Stimmung zunehmend. Daran sind nicht zuletzt die extrem veränderten politischen Kontexte in den USA Schuld. Zwar wurden die im Zuge der Finanzkrise stark regulierten Finanzmärkte gelockert und die Vorschriften im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes aus der Obama-Ära zurückgedreht, doch die teilweise unberechenbaren Vorstöße zur Immigrations- und Bildungspolitik erschweren es die notwendigen Spitzenkräfte für Startups und kleine Firmen zu rekrutieren und zu halten. Eine latente bis ausdrückliche Wissenschaftsfeindlichkeit seitens des Präsidenten und einiger einflussreicher Kabinettsmitglieder tut ihr Übriges dafür, dass junge Fachkräfte aus dem Ausland dem Standort USA mit Vorsicht begegnen. Führende Tech Unternehmen schlagen bereits Alarm: Sie widersetzen sich der Politik und sprechen bereits von einem bevorstehenden Braindrain. Die im Wahlkampf versprochenen Reformen und Investitionen in die Infrastruktur – von öffentlichen Verkehrsmitteln über Breitbandinternet bis zum Wohnungsbau – lassen auf sich warten. Auch was die sogenannten weichen Faktoren angeht, wie Krankenversicherung, Elternzeit und Lebenshaltungskosten, verspricht die Politik der USA momentan keine Verbesserung.

 

Über den Autor

Dr. Gerrit Rößler ist Program Manager beim Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH), dem Netzwerkpartner für forschungsnahe Innovationen. Das DWIH befasst sich mit der Forschung und Innovation aller maßgeblichen deutschen Akteure: Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und die Wirtschaft. Bei Veranstaltungen und Delegationsreisen mit politischen Vertreterinnen und Vertretern aus den USA und Deutschland wird außerdem der Dialog und Austausch mit der Politik verstärkt. Die Arbeit des DWIH soll Innovationen Sichtbarkeit und Anstöße für neue Kooperationen geben.

 

INSIDE ist das Magazin des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. (Startup-Verband). Der Startup-Verband ist Repräsentant und Stimme der Startups in Deutschland und engagiert sich für gründerfreundliche Rahmenbedingungen. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in der Politik erarbeitet er Vorschläge, die eine Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken. Der Startup-Verband wirbt für innovatives Unternehmertum und trägt die Startup-Mentalität in die Gesellschaft. Als Netzwerk verbindet er Gründer, Startups und deren Freunde miteinander.

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