Die Satirezeitschrift „Titanic“ twitterte am 2. Januar 2018: „Weshalb verwendet eigentlich die deutsche Polizei arabische Zahlen? Ich wehl doch nicht 110, wen die Barbarenhorden mich vergewaltigen wollen! (bvs)“

Das Kürzel „bvs“ sollte suggerieren, dass der Tweet von AfD-Politikern Beatrix von Storch verfasst wurde. Natürlich handelte es sich um eine Satireaktion der „Titanic“. Kurze Zeit später wurde der Tweet von Twitter gelöscht. Die Info von Twitter dazu: „Dieser Tweet von @titanic wurde aufgrund der Gesetze vor Ort zurückgezogen“.

Jemand hatte den Tweet gemeldet, Twitter ihn daraufhin gelöscht. Twitter kategorisiert hier in fünf verschiedene Arten von Meldungen, zum Beispiel „Es ist Spam“ oder „Es ist missbräuchlich oder verletzend“. Die fünfte und neueste gibt es nur in Deutschland. Sie lautet „Covered by Netzwerkdurchsetzungsgesetz“.

Der Fall des Titanic-Tweets offenbart einen Tag nach Inkrafttreten des NetzDGs weshalb es nicht das schafft, was es möchte, sondern das Gegenteil. Das NetzDG schafft keine Meinungsfreiheit und schützt nicht vor Hate Speech, es schränkt die freie Meinungsäußerung ein und zensiert sogar Satire. Das wussten eigentlich alle auch schon vorher. Selten haben sich Experten quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche, über Parteigrenzen hinweg, derart geschlossen gegen ein Gesetz gestellt. Die Beratungsresistenz von Justizminister Maas war, den kurzfristigen Wahlkampferfolg vor Augen, schier grenzenlos. Der Misserfolg ist es auch. Nach dem Inkrafttreten brauchte es genau 24 Stunden, um den Beweis zu erbringen, dass das Gesetz übereilt und schlampig formuliert ist.

Der Kern des Problems: Das NetzDG besagt, dass „offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden“ gelöscht werden müssen. Geschieht dies nicht, können Strafen von bis zu 50 Millionen Euro drohen. Twitter, Facebook, Youtube und andere Plattformen, auf denen User Inhalte hochladen können, blockieren und löschen daher im Zweifel mehr als notwendig, aus Angst vor diesen empfindlichen Strafen. Ob etwas von der Meinungsfreiheit gedeckt ist oder nicht, entscheiden nicht länger deutsche Gerichte, sondern Mitarbeiter von Twitter & Co. Möglicherweise sogar ein Algorithmus, der darauf trainiert wurde, diese Entscheidung zu fällen.

Ausgerechnet der deutsche Justizminister nimmt dem Rechtsstaat die Rechtsdurchsetzung aus der Hand, um private Unternehmen damit zu betrauen. Die Unternehmen handeln aus nachvollziehbaren Gründen nicht nach einer ausführlichen juristischen Abwägung verschiedener Rechtsgüter mit Verfassungsrang. Die Freiheit von Meinung, Presse oder auch Kunst wird der Betriebswirtschaft untergeordnet. Wenn hohe Strafen drohen, wird natürlich alles dafür getan, diese zu verhindern. Ergo: Im Zweifel wird gelöscht. Gerade wenn die Frist nur 24 Stunden beträgt.

Klar, gegen rechtswidrige Inhalte muss effektiv vorgegangen werden können. Und zwar mit allen gebotenen und verhältnismäßigen, dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei ist es aber Aufgabe der Justiz, zu entscheiden, was rechtswidrig oder strafbar ist und was nicht.

Das NetzDG ist gescheitert. Mit Anlauf. Bergab und mit Rückenwind. Ein Hoffnungsschimmer bleibt: Die Staatsministerin für Digitales im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär, hat eine eindeutige Meinung zum NetzDG: „Dass sich autokratische Staatschefs das Gesetz interessiert angeschaut haben, ist ja nicht gerade eine Empfehlung“. Die einzig richtige Konsequenz: Das Gesetz muss sofort abgeschafft werden. Die neue Justizministerin Katarina Barley kann hier zeigen, ob sie den Mut und das Rückgrat hat das NetzDG auf den Prüfstand zu stellen. Dann kann die Debatte neu geführt werden, unter Einbeziehung von Experten und ganz ohne Wahlkampfgetöse.

 

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Kategorien: Politik