Gründer finden ihre Co-Founder in den meisten Fällen im direkten sozialen Umfeld. Das sind Kollegen, Freunde oder Verwandte, die für dieselbe Idee brennen und diese unbedingt umsetzen wollen. Ein gutes Gründerteam ist Gold wert, aber wie muss der perfekte Co-Founder eigentlich beschaffen sein, damit es auch langfristig funktioniert? Im Interview erklärt die Gründertrainerin Julia Derndinger, worauf es im Vorfeld der Gründung ankommt, weshalb ein gut funktionierendes Gründerteam die zentrale Voraussetzung für ein erfolgreiches Unternehmen ist und warum ihrer Meinung nach viele Gründerteams dysfunktional sind. Ein Interview mit der Gründerin und Investorin Julia Derndinger, geführt von Paul Wolter.

Paul Wolter: Julia, warum ist es wichtig, bei der Auswahl der potentiellen Mitgründer nichts zu überstürzen?

Julia Derndinger: Gründungsideen und die damit einhergehende Euphorie und Leidenschaft entstehen häufig bei einem gemeinsamen Bier mit einem guten Freund. Das ist per se keine schlechte Vorgehensweise und für mich immer ein wenig so wie verliebt sein: Man ist von der Idee überzeugt, fängt an und hinterfragt nicht, ob der andere der Richtige dafür ist. Wenn man sich sicher ist, dass man eine Firma gründen will, sollte man jedoch rechtzeitig in einen strukturierten Prozess übergehen, in dem vorab gemeinsame Kriterien festgelegt werden, kann böse Überraschungen verhindern. Wichtige Dinge wie Unternehmensanteile, Stimmrechte, Gewinnaufteilung, Gehälter, Nebentätigkeiten etc. müssen geregelt werden. Hier gibt es kein richtig oder falsch, sondern dass darüber im Vorfeld ausreichend gesprochen wird.

Für mich sind zwei Faktoren entscheidend. Zum einen ist es wichtig, dass Co-Founder unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Der Einzelne muss seine Rolle im Unternehmen finden, unabhängig davon, ob die Co-Founder einen Abschluss im selben Fachgebiet haben, sondern vielmehr, welche Kernkompetenzen jeder Einzelne mitbringt.

Zum anderen ist ein gleiches Wertesystem des Gründerteams notwendig. Permanente Interessenskonflikte entstehen dort, wo unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich elementarer Dinge wie Verbindlichkeit oder Pünktlichkeit vorherrschen. Die Anfangseuphorie täuscht häufig über diese unterschiedlichen Auffassungen hinweg, die sich erst nach und nach mit der Professionalisierung und dem Wachstum des Unternehmens herauskristallisieren. Hier muss man sich ehrlicherweise die Frage stellen, ob das Gründerteam wirklich zusammenpasst.

Paul: Theorie ist das eine, in der Praxis sieht es jedoch häufig trotzdem anders aus. Wie kann man sich trotzdem sicher sein, dass die Zusammenarbeit auch mittel- und langfristig funktioniert?

Julia: Ich empfehle, in einer Art Probezeit herauszufinden, ob die Arbeitsweise und -ergebnisse des anderen den eigenen Vorstellungen entsprechen. Als erstes die Firma zu gründen, Briefpapier zu drucken und Büroräume anzumieten, ist meiner Meinung nach die falsche Reihenfolge. Auch wenn die Probezeit und die ersten Monate oder sogar Jahre der Zusammenarbeit im Gründerteam gut verlaufen, verändern sich individuelle Prioritäten und das Commitment nach einer Zeit. Ich empfehle halb- oder vierteljährliche Strategiemeetings außerhalb des Alltagsgeschäfts, um abzuklären, wo man mit dem Unternehmen inhaltlich hinmöchte und wo man mit der Gründer-Partnerschaft steht. Dabei spielen besonders Entwicklungen im privaten Bereich wie Lebenspartner oder Kinderwunsch und die sich damit verändernde Selbstverpflichtung zum Unternehmen eine entscheidende Rolle.

Paul: Was sind die Gefahren, wenn das Gründerteam dysfunktional arbeitet?

Julia: Wie in einem Ruderteam müssen die Co-Founder einen gemeinsamen, für alle verbindlichen Takt vorgeben. Genau das gelingt jedoch den wenigsten: Co-Founder verbringen meist zu wenig Zeit miteinander, die Stoßrichtung des Unternehmens auf Basis des Geschäftsmodells und der Organisationseinheit auszudiskutieren. Das liegt häufig auch in den unterschiedlichen Persönlichkeiten begründet: Wo der eine sehr stark vorstrukturiert, will der andere lieber direkt loslegen. Das macht es für Mitarbeiter häufig sehr schwierig und ist vergleichbar mit der Erziehung eines Elternpaares, bei dem Mutter und Vater unterschiedliche Beziehungskonzepte verfolgen. Man geht abhängig von der Situation zu dem Elternteil, bei dem man glaubt, die gerade passende Antwort zu bekommen.

Paul: Was empfiehlst du, wenn die Zusammenarbeit längerfristig nicht funktioniert?

Julia: An dieser Stelle empfehle ich, sich einen neutralen Sparringspartner zu suchen, der mit keinem der Gründer enger befreundet ist. Diese Person sollte die Unternehmensinteressen in den Vordergrund rücken, mit den Gründern Einzelgespräche führen und nach einer gemeinsamen Basis suchen. Wenn es keinen gemeinsamen Nenner gibt, muss im Team entschieden werden, wie es weitergehen soll.

Am Ende des Tages ist es eine persönliche Entscheidung, wenn man im Unternehmen nicht mehr glücklich ist und sich dazu entscheidet, sich einem neuen Projekt zu widmen. Trotzdem sollte der Co-Founder die Person sein, mit der frühzeitig über das Problem gesprochen und nach einer Lösung gesucht wird anstatt sie vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Paul: Du hast einmal aus eigener Beobachtung gesagt, dass circa 80 Prozent der Gründerteams dysfunktional zusammenarbeitet. Worin siehst du das Hauptproblem?

Julia: Die 80 Prozent sind natürlich eine sehr harte Aussage. Diese Zahl ist nicht quantifiziert, sondern eine Tendenz aus meinen Erfahrungen: Viele der Gründerteams, mit denen ich zusammenarbeite, sind nicht alleine mit der Frage, wo sie hinwollen. Das ist aber lösbar und setzt „nur“ Arbeit voraus. Anders ist das bei einem unterschiedlichen Wertesystem der Gründer, was wesentlich schwieriger zu lösen ist.

Im Gründerteam muss es meiner Ansicht nach immer eine Person geben, die eine größere Verantwortung für das Unternehmen trägt und deren originäre Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen eine Zukunft hat. Der CEO braucht eine strategische Weitsicht, er ist Visionär und Haupttreiber des Unternehmens.

Ich persönlich sehe die weiteren Co-Founder entsprechend in etwas zurückgenommeneren Rollen. Der Ansatz ist vielleicht etwas unpopulär, aber meiner Meinung nach nachhaltiger. Die Person im Gründerteam, die den Finger in die Wunde legt, offen Konflikte anspricht sowie Prozesse und Strukturen hinterfragt und Themen vorantreibt, ist meist auch der CEO im Unternehmen und sollte etwas mehr zu sagen haben. Anstehende Entscheidungen müssen letztendlich vom CEO getroffen werden, indem dieser seine Kollegen im Gründerteam nicht überstimmt, sondern auf Augenhöhe herausfordert, den Status quo hinterfragt und erkennt, wann die Co-Founder an ihr Leistungslimit kommen. Jeder im Gründerteam sollte ehrlich zu sich selbst sein und fragen, ob er oder sie das Potential und die Fähigkeiten hat, diese Rolle des Generalisten und CEO auszufüllen oder doch eher Experte auf seinem Gebiet ist. Entsprechend glaube ich auch, dass in einem Gründerteam nicht alle gleich sind, nicht alle die gleiche Rolle ausfüllen können und somit auch nicht alle die letzte Entscheidung für das Unternehmen haben sollten.

 

Zur Person

Julia Derndinger ist erfahrene Gründerin, Unternehmerin und Investorin. Seit Jahren ist sie als „die Gründertrainerin“ fest in der deutschen Startup-Szene etabliert, ist dem Startup-Verband freundschaftlich verbunden und moderiert für diesen häufig Veranstaltungen. Als Sparringspartnerin und Netzwerkerin steht sie vielen namhaften und erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern zur Seite. Zudem hat Julia bereits selber erfolgreich gegründet, Firmen aufgebaut und in aussichtsreiche Geschäftsmodelle investiert. Darüber hinaus ist sie in diversen Jurys, Beiräten und Aufsichtsräten aktiv und engagiert sich auch ehrenamtlich für Unternehmertum in Deutschland.

 

INSIDE ist das Magazin des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. (Startup-Verband). Der Startup-Verband ist Repräsentant und Stimme der Startups in Deutschland und engagiert sich für gründerfreundliche Rahmenbedingungen. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in der Politik erarbeitet er Vorschläge, die eine Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken. Der Startup-Verband wirbt für innovatives Unternehmertum und trägt die Startup-Mentalität in die Gesellschaft. Als Netzwerk verbindet er Gründer, Startups und deren Freunde miteinander.

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